Bild: Ein Gesangsleinlage gab es zum 30. Geburtstag des Kreisseniorenrats mit Reinhad Zedler von der AWO, Landrat Zeno Danner, Nese Erikli MdL und Bernd Eberwein. swb-Bild: of

Die stärkste Kraft im Landkreis
00:38 10.10.2019 | Oliver Fiedler | Schlagzeilen | Raum Konstanz | Konstanz

Konstanz. Mit einem bemerkenswerten Nachmittag feierte der Kreisseniorenrat am Mittwoch im großen Sitzungssaal seinen 30. Geburtstag. Dr. Bernd Eberwein als aktueller Vorsitzender des Gremiums lehnte sich gleich an Hermann Hesse an, der sagte, dass Altsein genauso schön wie Jungsein sein könne. Man sehe sich als Meinungsbilder, sehe sich als Berater und wolle auf Probleme aufmerksam machen und vor allem an deren Lösungen mitarbeiten, betonte er.
Die Schaffung eines Kreises für Heimfürsprecher – das sind rund 160 derzeit im Landkreis – und dessen Schulung wird als eine zentrale Aufgabe gesehen, wie die Initiation eines seniorengerechten Handwerkerservice in Zusammenarbeit mit der Kreishandwerkerschaft unter dem Titel „60plus“. Der Kreisseniorenrat hat zudem eine „Denkfabrik“ ins Leben gerufen, sie sich mit „Brennenden Themen“ wie Gesundheitsversorgung, Altersmedizin, Pflegenotstand, Barrierefreiheit, Mobilität bis zur Altersarmut auseinandersetzt und seine Funktion als politische Lobby nutzt. Solidarität sei sein Schlüsselbegriff. „Wir werden rechnerisch immer mehr. Die Gruppe der Menschen über 60 sind eine politische Größenordnung“, unterstrich er. Eher rhetorisch fragte er nach, ob es solch einen Seniorenrat überhaupt bräuchte, denn die Beispiele hatten das schon beantwortet.
In die Festveranstaltung drang noch ein „Hausmeister“ ein, der sich freilich als Reinhard Zedler, Geschäftsführer der AWO entpuppte und der mit Landrat Zeno Danner, welcher den Abend mit einer Begrüßung eröffnet hatte, und der Landtagsabgeordneten Nese Erikli wie Bernd Eberwein ein spontanes Lied anstimmte.
Andreas Jung scherzte in seinem Grußwort, dass hier ja schon vor 30 Jahren die „Senioren for Future“ gegründet wurden. Er ging auf das aktuelle Pflegestärkungsgesetzt ein, durch das 13.000 neue Stellen geschaffen wurden. Doch „Wenn sie am Sonntag in der Klinik keine Fachkraft finden, dann liegt das freilich auch daran, dass die Klinik auch keine Fachkraft findet“, ging er auf eine großes Problem ein, dass unter anderem damit gelöst werden solle, dass zum einen der Beruf attraktiver gemacht werde, zum anderen, dass die Menschen aus anderen Ländern ihren Beruf ohne viele Bürokratie hier ausüben könnten, welche die gerne hier arbeiten Würden
Dr. Alexander Gowin, der in seinen Vortrag die aktuellen Standards der Altersmedizin vorstellte, lobte, dass er mit dem Kreisseniorenrat seit seinem Start in 2012 einen starken Partner gehabt habe. Im Südwesten sei sie Situation in der Geriatrie freilich eher noch „mau“.
Isolation macht er auch als Hauptproblem aus, sie mache krank und auch dement, so seine Erfahrung aus dem Klinikum. Und: die Medizin erkenne die eigentlichen Krankheiten sogenannter „multimorbider“ Menschen oft nicht. „30 Prozent der Patienten, die ins Krankenhaus eingeliefert werden, kommen wegen Behandlungsfehlern davor“, so Gowin. Das seniorengerechte oder eigentlich das menschengerechte Krankenhaus, stehe erst am Anfang, provozierte er. Zum Beispiel gebe es auch erst zwei geriatrische Tageskliniken in Baden-Württemberg. Man würde das auch gerne in Radolfzell, sei aber noch nicht von den Krankenkassen erhöht worden. Seine Vision sei eine Klinik, in die man gerne gehe.
Prof. Dr. Marcus Schuchmann vom der Medizinischen Klinik Konstanz des Gesundheitsverbindung, verwies darauf, dass ein Großteil der Patienten älter seien. Vor allem kämen diese Patienten oft viel zu spät mit über Jahre verdrängten Krankheiten, wenn dann eben eine Krise eintrete – die man nun akut behandelt solle. Doch dafür brauche man auch als Klinik ein ganz anderes Personal, zum Beispiel sogar Sozialarbeiter, stellte er fest.
Stefanie Jehnichen vom Gesundheitsamt des Landkreises informierte über die hausärztliche Versorgung. Derzeit sei die Versorgungssituation gut und aktuell gelte ein Niederlassungsverbot für neue Hausärzte. Der Blick in die Zukunft zeige aber, dass hier doch deutliche Änderungen anstehen, da viele der Ärzte in den nächsten Jahren in den Ruhestand gingen. Das ist schon länger Thema einer Initiative im Landkreis, die hier Vorstöße in Sachen Personalgewinnung machen wird. Dr. Helmut Eckert als Leiter des Gesundheitsamts informierte über ein dreijähriges Pilotprojekt, das im November starten soll und vor allem in den ländlichen Raum wirken soll. Dabei können dann Pflegekräfte durchaus ärztliche Aufgaben übernehmen, digitale Sprechstunden gehören auch dazu. Gabriele Glocker vom Seniorenbrüro der Stadt Singen sieht die ärztliche Situation gar nicht so rosig. Vor allem Fachärzte fehlten, insbesondere Aufenärzte. Ein anderes Problem für sie: man behandle Diagnosen, nicht den Patienten ist ihr Eindruck.
Dr. Michael Hess, ehemaliger Leiter des Gesundheitsamt im Kreis, schilderte Situationen, bei denen nach medizinischer Behandlung kein Übergang in eine Pflegeeinrichtung gebe. Für sollte so etwas zum Entlassmanagement der Kliniken dazu gehören.